Fujairah ist das einzige der sieben Emirate, dessen Fläche sich komplett am Indischen Ozean erstreckt. Zu drei Seiten ist es gesäumt von den rostroten Zacken des Hajjar-Gebirges. Erst seit den 1970er-Jahren gibt es eine Straßenverbindung nach Dubai und Abu Dhabi. Ein Besuch
Sofort gehen die ein paar hundert Kilo schweren Stiere mit gesenktem Kopf aufeinander los, werfen ihr gesamtes Körpergewicht in die Waagschale und stemmen sich im Sand ab. Jeder versucht nach Kräften, den Gegner mit dem Kopf wegzudrücken. Mancher grunzt dabei, als würde er dem anderen noch ein paar Flüche an die Hörner schleudern wollen. Nach kaum einer Minute ist jeder Durchgang dieser archaische Variation des Armdrückens vorbei – und sollte doch mal Blut fließen, schon eher. Sieger ist, wer den anderen am weitesten zurückgedrängt hat. Dass sich die Tiere dabei verletzten, ist nicht erwünscht und kein Mensch in Angeberpose und mit Degen in der Hand setzt ihnen zu: alles ganz friedlich beim Kampf Stier gegen Stier in Fujairah, dem einzigen der sieben Vereinigten Arabischen Emirate, dessen Gebiet ausschließlich an den Indischen Ozean grenzt.
Fujairah war immer abgelegener als die anderen sechs Emirate der VAE, ist noch heute traditioneller, musste ohne eigenes Öl auskommen, war aufs Meer und die Oasen angewiesen, wenn es darum ging, mit irgendetwas Erträge zu erzielen: auf Fische und auf Orangen, Zitronen, Mangos, sogar Wassermelonen.
Die Menschen hier waren die letzten in den Emiraten, die im Alltag noch Krummdolche am Gürtel trugen, die letzten, in deren Reich hinein nur Maultierpfade führten. Nach Osten wie nach Westen grenzt Fujairah an den Oman mit seinen Bergzügen, nach Norden an emiratische Ausläufer des Hajjar-Gebirges und die Wüste, nach Süden an die Weite des Indischen Ozeans. Erst Anfang der 1970er-Jahre wurde die Straße durch die Berge gesprengt, erst 2012 kam eine als Alternativ-Route hinzu, um die inzwischen überforderte Piste zu entlasten.
Die neue Autobahn aus Dubai ist nötig geworden, denn Fujairah ist inzwischen vom vergessenen Dorf aus ein paar Hütten rund um eine Festung erst zur Ortschaft mit ein paar Betongebäuden und schließlich zur Stadt geworden – und ebenso plötzlich auch auf die touristische Weltkarte gerückt. Wegen seiner Strände, wegen dieser rostroten, so dramatisch gezackten Berge. Und weil viele der Menschen, die in Dubai Urlaub machen, aufbrechen und auch die Vergangenheit suchen wollen. Sie kommen nach Fujairah, gehen dort auf den Fischmarkt, schauen sich an Freitagnachmittagen die unblutigen Stierkämpfe in omanischer Tradition auf Sandplätzen am Straßenrand an, besichtigen die älteste Moschee der Emirate, wandern über Gebirgspfade und durch Oasenhaine voller Dattelpalmen und Orangenbäumchen. Oder fahren an die Strände des Indischen Ozeans, um den Fischern beim Netzeflicken im Sand zuzuschauen – oder einfach, um zu baden.
Die meisten von ihnen werden tief und fest in ihren Hotels schlafen, wenn die Fischer frühmorgens mit ihren kleinen Booten wieder hinaus auf den Indischen Ozean aufbrechen: Wieder werden sie Marlin und Snapper mit nach Hause bringen. Auf See, da ist alles wie früher, aber in Fujairah hat man jetzt auch vierspurige Straßen gebaut, und die Kleinlaster der Fischhändler warten schon, wenn die Boote zurückkehren, mancher mit laufendem Motor und meistens hupt irgendwer. Sogar der Handyempfang ist jetzt sogar draußen auf See ganz gut. Die Zeiten haben sich geändert – auch im Reich von Scheich Hamad bin Saif al-Sharqi. „Das Leben ist schneller geworden. Und kürzer“, haben die Fischer gesagt. Weil die Zeit aufgehört hat, Fujairah zu übersehen. Und weil die Gegenwart den Weg durch die Berge hierher gefunden hat.
Titelbild: Fujairah grenzt als einziges Emirat vollständig an den Golf von Oman © Creative Family – shutterstock.com
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Stand der Informationen: 11.03.2020. Die verbindliche Beschreibung der bei airtours buchbaren Leistungen finden Sie in der Buchungsstrecke der tui.com.
Helge Sobik
Helge Sobik ist weit gereister Autor von mehr als 30 Büchern und begibt sich für uns auf die Suche nach dem ganz besonderen Luxus.